
Ein Leitfaden von Bettina Schlüter
Der nachhaltige Wandel eines Unternehmens ist mehr, als ihm nur ein grünes Image zu verpassen. Was genau Nachhaltigkeit eigentlich bedeutet und beinhaltet, bleibt dabei leider oft auf der Strecke. Das Drei-Säulen-Modell, auch als Triple Bottom Line bekannt, erklärt, dass die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales als gleichberechtige Elemente angesehen werden sollten, die einander bedingen. Aber was bedeuten diese drei Dimensionen für den Einzelhandel?
Wie für jedes Vorhaben, darf für die Umstellung zum nachhaltigen Einzelhandel eine Strategie nicht fehlen. Schaffen Sie zunächst Grundlagen und erweitern Sie ihr Wissen. Sobald Ihnen bewusst ist, wo Sie stehen und welche Herausforderungen Sie als erstes in Angriff nehmen wollen, stellen Sie eine Nachhaltigkeitsstrategie auf. Diese sollte folgende Fragen beantworten:
Dass die drei Dimensionen sich gegenseitig bedingen, wird bei genauerer Betrachtung von potenziellen Maßnahmen schnell deutlich. Um einen ersten Überblick zu verschaffen, stellen wir einige Möglichkeiten dar, was für einen nachhaltigen Einzelhandel zu beachten ist.
Die soziale Dimension der Nachhaltigkeit rückt Mensch und Gesellschaft in den Fokus. Dabei werden Themen wie Gesundheit und Sicherheit, Chancengleichheit, die Verteilung gesellschaftlicher Belastungen, Rollenverteilung und auch faire Entlohnung lokal und global betrachtet. Im Einzelhandel gibt es viele Möglichkeiten soziale Nachhaltigkeit zu verankern. Welche gesundheitlichen Risiken und Belastungen sind Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Beispiel ausgesetzt, z.B. durch langes Stehen, kann man hier Abhilfe schaffen durch die Anschaffung von unterstützenden Möbeln oder durch Gesundheitspräventionsmaßnahmen z.B. Sportkursen.
Gemeinsame Aktivitäten im Team sind eine tolle Möglichkeit, um den Zusammenhalt zu festigen und eine stärkere Bindung unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu schaffen. Gleichzeitig macht die Arbeit mehr Spaß und durch das Angebot an Aktionen spürt das Team die Wertschätzung der Geschäftsleitung.
Nachhaltigkeit zum Herzensprojekt machen
Wie übernehmen Sie über Ihr Geschäft hinaus mehr soziale Verantwortung? Überlegen Sie mit Ihrem Team welches Thema allen besonders am Herzen liegt und wo Sie besondere Verantwortung spüren. Das kann die Unterstützung von lokalen Vereinen sein, oder von sozialen Projekten im Ausland. Beziehen Sie z.B. Kakao oder Schokolade aus Afrika? Dann unterstützen Sie Projekte, die hier für fairere Bedingungen und mehr Unabhängigkeit der Kakaobauern sorgen. Halten Sie für diese Projekte Spendenaktionen oder eine Lotterie ab, vielleicht auch in Kooperation mit anderen Einzelhandelsgeschäften. Beim Verkauf jeder wiederverwertbaren Tragetasche fließt ein Teil der Einnahme in entsprechende Projekte oder Sie organisieren einen großen Aktionstag. So unterstützen Sie gleichzeitig die soziale, ökologische und zusätzlich die ökonomische Dimension. Denn damit locken Sie Kunden in Ihr Geschäft und eröffnen sich die Chance, neue Kundschaft zu gewinnen.
Die als „grün“ verstandene Dimension der Nachhaltigkeit stellt die bekannteste Säule dar. Auch wenn Sie schon einiges umsetzen, verstecken sich hier noch viele Möglichkeiten, umweltfreundlicher zu handeln.
CO2-Emissionen für Strom minimieren
Der Bezug von Strom ist die offensichtlichste Stellschraube. Durch Beleuchtung und Klimatisierung entstehen hier häufig hohe Emissionen, die Sie direkt beeinflussen können. Finden Sie Maßnahmen, um Ihren Energieverbrauch dauerhaft zu reduzieren oder sogar selbst Energie zu erzeugen durch Photovoltaik, Solar oder Geothermie zum Beispiel. Um hier Klarheit über Ihre Möglichkeiten zu erhalten können Sie eine Energieberatung durchlaufen. Hier sind oft längerfristige Investitionen nötig und oder Sie müssen Ihre Vermieter erst mal überzeugen. Doch haben Sie es selbst in der Hand, Ihren Strombezug auf Ökostrom umzustellen. Damit senken Sie die CO2 Emissionen aus Strom in Ihrem Betrieb um fast 100%.
Achtung – wie bei vielen Dingen im Nachhaltigkeitskontext ist hier Vorsicht geboten. Es gibt viele Siegel für die Qualität und Nachhaltigkeit von Produkten. Doch durch diesen Siegeldschungel durchzublicken, ist eine eigene Herausforderung. Plattformen wie Siegelklarheit.de der Bundesregierung für den nachhaltigen Konsum oder der Ökostrom Labelcheck des Magazins Utopia.de helfen Ihnen auf der Suche nach einem nachhaltigen und klimafreundlichen Anbieter.
Müll reduzieren leicht gemacht
Ein weiterer Punkt ist die Reduktion von Abfall und der Ausbau von Recycling im Einzelhandel. Geschäfte, die sich hierfür einsetzen genießen heute bei ihrer Kundschaft großes Ansehen. Optionen zur Müllvermeidung sind beispielsweise Unverpackt-Konzepte. Vorzugsweise bringen die Einkaufenden Tupperdosen oder ähnliche Behälter selbst mit. Als Alternative verkauft das Geschäft ausschließlich wiederverwendbare Beutel für den Transport der Einkäufe oder gewährt Rabatte für das Mitbringen einer eigenen Tasche. Auch das Recycling alter Stoffe oder Kleidung im Geschäft ist eine Option. Es gibt zahlreiche Kooperationspartner, wie zum Beispiel Recup. Sie geben Mehrwegbehälter aus, die an zahlreichen Stellen retournierbar sind.
Das große Problem der Kassenbons ist das beschichtete Papier, dass nicht in den normalen Papierkorb wandern darf. Zum Glück gibt es mittlerweile ressourcenschonende Alternativen, wie den „Blue4Set-Kassenbon“ der aus FSC zertifiziertem Holz hergestellt wird und auf chemische Farbentwickler verzichtet. Außerdem kann der blaue Bon im herkömmlichen Papiermüll entsorgt werden. Alternativ geht es noch nachhaltiger sogar mit dem eBon, bei dem der Beleg per Mail oder SMS verschickt wird.
Mit diesen Maßnahmen fallen auch niedrigere laufende Kosten für den Einzelhandel an, was sich positiv auf die wirtschaftliche Dimension auswirkt.
Schauen Sie sich zudem Ihre Zulieferungen genau an, für die eine Menge Müll anfällt. Sprechen Sie mit ihren Lieferfirmen, wie Sie gemeinsam Konzepte erarbeiten können, die Transportwege, Folien und Kartonagen dauerhaft reduzieren. Nehmen Sie diese Punkte als wichtige Kriterien bei Vergabeentscheidungen auf.
Die drei Säulen stellen das Fundament der Nachhaltigkeit dar, weil sie sich gegenseitig unterstützen. Diesen Dreiklang vervollständigt die ökonomische Dimension. Diese betrachtet die Frage der wirtschaftlichen Ausrichtung und Strategie und auch die Einhaltung von Gesetzen und Regularien. Es geht um faires und transparentes Wirtschaften nach innen und außen. Wer kümmert sich bei Ihnen um die Umsetzung der Regularien z.B. zum Thema Arbeitsschutz, Erfassung von Arbeitszeiten und faire Vergabe von Aufträgen? Fordern Sie ihr Team auf Mitverantwortung zu übernehmen und auf Missstände hinzuweisen.
Ein weiteres wichtiges Thema für Sie sind hierbei Ihre Lieferketten und Produktion der Waren. Es lohnt sich, die Schritte der Lieferkette noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Überprüfen Sie, wo die Materialien produziert werden, welchen Emissionsausstoß Produktion und Lieferung verursachen und welche Möglichkeiten es zur CO2-Reduktion gibt. Verschaffen Sie sich hierzu im ersten Schritt einen Überblick über Ihre Zulieferungen und beginnen Sie mit 3 Lieferfirmen oder Warenströmen, die Sie für besonders relevant halten. Was beispielsweise teilweise an Kosten für den Transportweg eingeplant wird, kann stattdessen durch lokale Produktionsmöglichkeiten verringert oder umverteilt werden. Einen weiteren Vorteil bieten die lokale Produktion oder Lieferung von Einkäufen, sofern es sich nicht um übergroße Waren handelt: Lastenfahrräder oder E-Bikes machen die Lieferwege CO2-neutral.
Wie Sie sehen, hat der Einzelhandel viele Möglichkeiten, Nachhaltigkeit auch in kleinen Schritten in seinem Geschäftsmodell zu implementieren. Und jeder Schritt zahlt auf alle drei Dimensionen ein. Für viele Menschen ist der Einsatz oder die Transformation zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell heute ein Grund für den Einkauf in bestimmten Geschäften. Außerdem zeigt der Wille zur Veränderung den Glauben an die eigene Zukunftsfähigkeit des Betriebs. Das wiederum spricht für zuverlässige Unternehmen und Arbeitsplatzattraktivität.
Umweltbewusstsein ist ein Gewinn für alle – ob wirtschaftliche, soziale oder ökologische Maßnahmen zuerst ergriffen werden, sie zahlen sich alle aus, auf lange Sicht. Das Wichtigste ist, anzufangen und mit kleinen Schritten das selbst gewählte Ziel anzusteuern.
Sprechen Sie über umweltfreundliches Handel
Machen Sie Nachhaltigkeit zum Thema, mit seinen vielen Chancen und Schwierigkeiten.
Klären Sie auf, welche Dinge Sie gerade oder zeitnah nachhaltiger machen möchten, und berichten Sie über Erfolge.
Greifen Sie Ihre grünen Projekte in Verbindung mit umweltfreundlichen Produkten in der Warenpräsentation auf
Bleiben Sie im Gespräch mit Ihrem Team, Ihrer Kundschaft, Ihren Lieferfirmen.
Bieten Sie Informationen oder Informationsveranstaltungen an und helfen Sie mit, Nachhaltigkeit als wichtiges Kaufkriterium zu etablieren.
Zeigen Sie, dass umweltfreundliches Handeln für Sie wichtig ist. So sind Sie glaubwürdig und regen weitere Menschen an, sich mit diesem Zukunftsthema ganz konkret auseinanderzusetzen.
UNO INO eG ist eine Unternehmensberatung für neues und nachhaltiges Wirtschaften und bedeutet ausgeschrieben „You know – I know“. Mit dem Ziel, Nachhaltigkeit im Kerngeschäft und den Kennwerten von Unternehmen, Organisationen und der Gesellschaft zu verankern, begleitet die Genossenschaft Unternehmen auf Ihrem Weg in die Nachhaltigkeit. Weitere Informationen zu UNO INO eG und zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien finden Sie hier oder melden Sie sich bei Fragen persönlich bei Bettina Schlüter.
Über die Autorin:
Bettina Schlüter ist gelernte Betriebswirtin und Sustainable Business Transformation Managerin. Seit über 20 Jahren ist sie tätig in der Wirtschafts- und Unternehmensberatung. Kern ihrer Tätigkeit ist Unternehmensstrategie und die nachhaltige Optimierung von Lieferketten und Unternehmensprozessen. Im Jahr 2020 hat sie gemeinsam mit weiteren Partnerinnen und Partnern das Netzwerk UNO INO eG gegründet.